Nach erfolgreichem Abschluß der diesjährigen Budgetverhandlungen habe ich mir zwei Tage Auszeit gegönnt - Richtung Süden. Runter ging's auf der sattsam bekannten Route über den Brenner nach Bozen. Dort bis Trient auf der Autobahn und weiter nach Rovereto. Dort nach Osten in die Vallarsa auf der SS46 - eine Traumstraße, die ich bei Traumwetter und 25°C genossen habe. Da es keinen Verkehr hatte - daher Donnerstag und Freitag gewählt - habe ich die TT gehen lassen und auch den Reifen bis zum Rand ausgenutzt. Das mache ich ja sonst nie ...
Die Strecke geht ja auch genau über einen Teil den Frontverlaufs des WK I, dessen Stütze hier das Fort Valmorbia ist, das man bis ca. 1 km vor dem Fort auch mit dem Motorrad erfahren darf. Weiter ist verboten, aber sicher möglich. Ich habe es allerdings nicht riskiert. Die Straße ist aber echt ein Genuss:
Kleine Fotopause nach ca. 10. km Straßenverlauf
Ich bin dann weiter über den Pian delle Fugazze zum Ossario, und ab der Paßhöhe war es auch neblig - passend zur deprimierenden Stimmung dieses (und aller anderen) Beinhäuser. Mein Versuch, westlich über die Schotterstrecke auf den Pso. Campogrosso zu fahren, scheiterte an einem Verbotsschild, das auch mit einer Patrouille des Corpo Forestale garniert war - also auch hier kein Durchkommen. Ich bin dann wieder zurück in die Vallarsa, auf der Westseite. Kurz bevor man die Abzweigung dorthin erreicht, findet man ein Dorf, dass direkt unter einer Staumauer liegt. Das Leben muss doch auch schön sein, möge Longarone nicht ihr Fatum sein:
Weiter dann bis Albaredo und dort auf die Straße zur Zugna abgebogen. Sie wurde gebaut, weil Österreich zu Beginn des 20. Jh. dort eine Festung bauen wollte. Dazu kam es aber nicht mehr. Dennoch lagen sich hier über drei Jahre Italien und AUT auf Rufweite gegenüber und brachten sich auf alle erdenklichen Arten um. Auf dem zentralen Frontabschnitt, der nicht größer als ein paar Fussballfelder ist, sind ca. 20.000 Mann gefallen. Man hat dort die Stellungsverläufe wieder sichtbar gemacht, auch abgeholzt und man erkennt sofort, warum dieser Ort so umkämpft war. Von dort aus war die Beherrschung von Etsch- wie Lenotal (Vallarsa) möglich. Wenn man es denn hatte - und es siegte hier niemand.
Blick auf die (restaurierte) erste Linie der Italiener
Blick von derselben auf die österreichischen Stellungen
Blick vom linken Flügel der italienischen Stellungen auf das Etschtal
Von dort bin ich nach einem langen Gespräch mit einem aus Mailand angereisten Raubgräber dann nach Rovereto retour und weiter bis nach Serravalle, wo mich - passenderweise - der Gasthof "Zugna" aufnahm. Rd. 320 km, ein Negroni und ein gutes Essen rundeten einen Tag ab, der zwischen Motorrad-Euphorie und historischer Trauer schwankte. Schön, dass der Wirt des "Zugna" einen angemessenen Schmuck im Eingangsbereich vorhielt: eine kleine Moto Guzzi.
Am nächsten Morgen ging es dann weiter Richtung Süden und bei Sdruzzina hinauf in Richtung Pso. Fittanze. Noch kühl im Tal und ein wenig neblig, waren die Straßen noch naß und zu allem Überfluss auch mit reichlich Laub bedeckt. Also bin ich vorsichtig gefahren - bin ja ein "Nässe_Schisser". Aber der Blick ins Etschtal entschädigte:
Und an der Passhöhe - wieder "geschmückt" mit einem eher fürchterlichen Kriegerdenkmal der Italiener - gab es einen guten Café von einer reizenden Dame, die mir von sich aus den Tipp zu der folgenden Strada bianca gab.
Dorthin wollte ich natürlich schon von selbst und so bin ich dann mutterseelenallein die rd. 17 km über feuchten Schotter, eine atemberaubend schöne - wenngleich ein wenig strenge - Landschaft gefahren. Fahrerisch unspektakulär, aber auch hier tun sich dem geübten Auge gleich wieder die Wunden der Vergangenheit auf: Die mittlerweile überwachsenen Eintiefungen waren ehedem alles Bereitstellungen für italienische Truppen, schön in Hinterhanglagen angelegt. Vor allem die schere Artillerie hat von hier auch in die Kämpfe an der Zugna und am Pasubio eingegriffen (und häufig genug die eigenen Truppen beharkt (Leseempfehlung: Emilio Lussu: Ein Jahr auf der Hochfläche).
Jeder Schotter hat aber mal sein Ende. Diese Straße endete oberhalb von San Giorgio, einem Ort, wo ich sicher keinen Skiurlaub machen werde. Seine Tristesse passte zu den eher nachdenklichen Überlegungen, die mich bei der Fahrt befielen.
Von dort ging es weiter nach Velo Veronese und nach Osten Richtung Valdagno - immer quer zu den tief eingeschnittenen Tälern und auf kleinsten Straßen: man kommt so zu ganz erstaunlich geringen Streckenleistungen und erheblichen Höhenmetern. Kurz vor Valdagno dann noch eine Traumstraße, die mich mit ihren lichten Buchenbeständen fast an einen Drehort für die Siegfried-Sage erinnerte:
Nur das dreckige Motorrad passte so gar nicht dazu ...
Das war aber nicht zu ändern - zumindest ad hoc nicht. Ich bin dann weiter über den Pso. Xon erneut auf den Pian delle Fugazze und einmal mehr durch die Vallarsa nach Rovereto. Von dort retour, nicht ohne in Atzwang in der Alten Post meinen schon traditionellen Stopp einzulegen. Und mal was zu essen ... wie wahrscheinlich schon Dürer, ganz sicher Goethe und natürlich Mozart.
Und dann ging's heim über den Brenner, wo sich - es war Freitag Nachmittag - die Zahl der Motorradfahrer dramatisch erhöhte. Meine Terminwahl war genau richtig gewesen. Das Moped auch. Muß man halt ausnahmsweise mal putzen ...
Empfehlung: SEHR zu empfehlen!
Maybach
P.S.: @Pattrick
Ja, es war Urlaub ...